Azubi-Recruiting im Netzwerk

Anton Kartschmit interviewt Markus Becker.

Wie Azubi-Recruiting im Netzwerk funktionieren kann

Die AGOFORM GmbH in Löhne. Ein Unternehmen der Kunststoffindustrie mit rund 160 Mitarbeitenden. Jedes Jahr hat das Unternehmen fünf Ausbildungsplätze zu besetzen, um den eigenen Bedarf an Fachkräften im Unternehmen zu decken. Auf Grund zu geringer Bewerbungseingänge, hat das Unternehmen vor vier Jahren einen Kurswechsel vorgenommen und setzt nun auf Networking als Azubi-RecruitingStrategie. Im Interview mit Anton Kartschmit, Ausbildungsberater im Projekt „MatchME“ der Nachwuchsstiftung Maschinenbau, verrät Markus Becker, Prozessmanager und Ausbildungskoordinator der AGOFORM GmbH, mit welchen Kooperationen er strategisch ein Netzwerk aufgebaut hat und wie er damit neue Auszubildende gewinnt.

Anton Kartschmit: „Guten Morgen Herr Becker. Sie wollen uns heute von einem Praxisbeispiel zum Azubi-Recruiting im Netzwerk erzählen. Welche Vorteile bietet es Ihnen, so ein Netzwerk zu betreiben?“

Markus Becker: „Unsere Hauptausbildungsberuf ist der Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuktechnik. Wir haben in den letzten Jahren wieder festgestellt, dass es sehr schwierig ist diesen Beruf zu besetzen, weil dieser in der Schülerschaft kaum bekannt ist. Da kam der Netzwerkgedanke auf, um das Ganze weiter zu streuen.“

Praxistipp 1: Schulkooperationen aufbauen

Anton Kartschmit: „Wie konkret funktioniert das Netzwerk? Welche Netzwerkpartner haben Sie und wie läuft der Akquise-Prozess ab?“

Markus Becker: „Das beste Beispiel sind die umliegenden Schulen, mit denen wir zusammenarbeiten. Die erste Schule ist hier direkt in der Ortschaft. Wir bieten in der Schule Bewerbungstrainings, Speed Datings oder auch einen Azubi-Knigge zur Vorbereitung auf die Ausbildung an. Die Schülerinnen und Schüler kommen aber auch zu uns ins Unternehmen zur Betriebsbesichtigung und wir bieten Berufsfelderkundungen und Schüler-Praktika an. Das Gleiche machen wir mit der örtlichen Gesamtschule. Auch wenn sie ihre eigene kleine Ausbildungsmesse in der Aula veranstalten, sind wir vor Ort. So bekommen wir jedes Jahr ein bis zwei Auszubildende über die Partnerschulen.“

Praxistipp 2: Mit Bildungsträgern vernetzen

Markus Becker: „Wir haben ebenfalls Kontakte zu Bildungsträgern geknüpft, die Schülerinnen und Schüler aufnehmen, die im ersten Anlauf keine Ausbildungsstelle bekommen haben oder die sich ihrer Berufswahl noch unsicher sind. Dort können Sie sich entsprechend ihrer Fähigkeiten austesten. Mit Potentialanalysen arbeiten die Bildungsträger im Vorfeld schon sehr intensiv mit den Jugendlichen. Ich habe Kontakte zu verschiedenen Standorten aufgebaut und erfahre so von ausbildungsinteressierten Jugendlichen. Auf einer Herbstmesse des Bildungsträgers - dort haben die Jugendlichen Dekoartikel hergestellt – konnte ich mir beispielsweise in einem persönlichen Gespräch auch schon einen ersten Eindruck von einem Kandidaten machen, der sich vorher schon hier beworben hatte. Am Stand, welchen er betreute, stand zufällig noch eine andere junge Dame. Auch mit ihr unterhielt ich mich und letztendlich kam auf diesem Wege ein Ausbildungsverhältnis zustande. Und da der erste Kandidat kurzfristig doch lieber eine andere Ausbildung machen wollte, empfahl mir der Bildungsträger einen anderen ausbildungsinteressierten Jugendlichen.“

Praxistipp 3: Umschulungspartner werden

Markus Becker: „Wir arbeiten viel mit dem bfw (bfw – Unternehmen für Bildung) im Bereich der Umschulung zum Maschinen- und Anlagenführer zusammen. Die Umschulung geht ca. 16 Monate und es gibt zwei Blöcke à drei Monate, in denen die Umschülerinnen und Umschüler bei uns den praktischen Teil und auch die praktische Prüfung absolvieren. Darüber erhielten wir auch schon drei Mitarbeitende.“

Praxistipp 4: Überbetriebliche Ausbildung ermöglichen

Markus Becker: „Wir arbeiten ebenfalls mit einer Kompetenzwerkstatt zusammen. Seit eineinhalb Jahren bilden wir einen Auszubildenden bei uns aus, der bei der Kompetenzwerkstatt angestellt ist. Der Bildungsträger hat keine Möglichkeit den praktischen Teil der Ausbildung abzubilden, weshalb der Auszubildende bei uns den praktischen Teil der Ausbildung und auch später bei uns an der Maschine seine Abschlussprüfung absolviert. Er geht einmal die Woche zum Bildungsträger, um Förderunterricht zu bekommen und besucht die Berufsschule.“

Anton Kartschmit: „Der Vorteil liegt da klar auf der Hand. Der Bildungsträger wird diesen Auszubildenen wahrscheinlich nicht übernehmen. Damit steht er frei auf dem Markt zur Verfügung. Als Kooperationspartner haben Sie ihn während der gesamten Ausbildung begleitet und er kennt die Maschinen und Mitarbeitenden. Das ist eine gute Möglichkeit sich den Fachkräftenachwuchs zu sichern.“

Markus Becker: „Genau.“

Praxistipp 5: Bewerbende innerhalb der Branche empfehlen

Anton Kartschmit: „Würden Sie in Ihr Netzwerk auch ein Unternehmen integrieren, dass auf dem Ausbildungsmarkt direkte Konkurrenz ist? Und könnten Sie sich vorstellen Bewerbende im Netzwerk zu empfehlen, wenn Sie Ihre Ausbildungsplätze besetzt haben und übrigen Kandidaten absagen müssen?

Markus Becker: „Das auf jeden Fall. Wir haben es auf Verbandsebene bereits so gemacht. Vor vier Jahren nahmen wir am Projekt Kungfu (Kunstoff.goes.future) teil. Ein Jobstarterprojekt, welches ebenfalls gefördert wurde und ein externes Ausbildungsmanagement beinhaltete. Es wurden Bewerbungen aus ganz OWL gesammelt, Vorauswahlen getroffen, Vortests mit den Kandidaten gemacht und entsprechende Vorschläge an die Unternehmen gegeben. Die Zusammenarbeit war gut und stieß auf beidseitiges Interesse. Bewerbende, denen wir absagen mussten, erhielten eine E-Mail mit entsprechendem Informationsmaterial zu KungFu und dem externen Ausbildungsmanagement. Ich versuchte mit der positiv verpackten Absage einen möglichst guten Eindruck beim Bewerbenden zu hinterlassen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Bewerbenden in der Kunststoffindustrie ausgebildet werden. Wenn sie jetzt nicht unsere Auszubildenden sind, sind sie vielleicht aber in zehn Jahren unsere Facharbeiterinnen oder Facharbeiter.“

Anton Kartschmit: „Herr Becker, Sie erzählten gerade von dem Projekt KungFu. Das Projekt ist nun schon ausgelaufen, aber leben Sie das Netzwerk noch so? Haben Sie noch Kontakt zu den Unternehmen und wird noch weiterhin zusammengearbeitet?“

Markus Becker: „Jetzt gerade, während der Coronazeit, wurde das Ganze ein wenig runtergefahren. Wir hatten aber drei bis vier Mal ein persönliches Treffen. Sowohl am Stammsitz des Verbandes als auch bei verschiedenen Unternehmen mit Werksbesichtigung und ein Treffen in den Räumlichkeiten. Wir haben so etwas auch schon in unserem Hause durchgeführt. Untereinander ist kein Konkurrenzdenken vorhanden. Wir stehen alle vor dem gleichen Fachkräfte-Problem und müssen schauen, wie man gemeinsam die Ausbildung vorantreiben kann.“

Weitere Informationen

Das Interview wird auf www.matchme-ausbildung.de in voller Länge präsentiert.

Weitere Informationen zum Projekt „MatchME – Innovatives Ausbildungsmatching für kleine und mittelständische Unternehmen“ erhalten Sie außerdem bei Ihrer Ansprechpartnerin in der Nachwuchsstiftung Maschinenbau:

Monique Hopfinger +49 5205/74-2549
monique.hopfinger@nws-mb.de