AGOFORM - Nachhaltige Unternehmen

27 OWi 07.2022 CO2-Foodprint nur eine Facette. In der Gesamtbetrachtung ist es wichtig, wie gut ein Produkt repariert, recycelt oder upgegradet werden kann, um so energieeffizienter zu werden.“ REPARATUR-ASPEKT IMMER RELEVANTER Insbesondere der Reparatur-Aspekt werde für Unternehmen immer relevanter. In Frankreich sei eine Reparaturmöglichkeit für Produkte, die an Endkunden verkauft werden, gesetzlich vorgeschrieben. In Spanien werde an einer entsprechenden Regelung gearbeitet. Mit diesen Gesetzen würden die Vorgaben aus dem europäischen Green Deal umgesetzt. Deutschland hätte Jürgenhakes Meinung nach vor diesen gestärkten Verbraucherrechten „die Augen verschlossen“. Die „eingebaute Obsoleszenz“ von Soft- und Hardware ärgere ihn auch persönlich. Da werde ein drei Jahre alter Fernseher nicht mehr nutzbar, weil das vom Hersteller herausgebrachte Update nicht abwärts kompatibel sei, der Support höre einfach auf. Oder die Hardware ginge nach „24 Monaten und einem Tag kaputt“. Sei Recycling von Stahlblechen noch relativ einfach, so würden Elektronik- und Mechatronik-Komponenten bislang häufig geschreddert, es sei ein sehr aufwändiges Verfahren, die Rohstoffe zurückzugewinnen. Das läge auch daran, dass Elektronik sehr integrativ aufgebaut sei, auf Platinen viele Schaltkreise und Widerstände auf engem Raum untergebracht seien. „Die Elektronik ist sehr auf den Massenmarkt ausgerichtet, hochintegrierte Systeme lassen sich kostengünstiger herstellen.“ Um den Scope 3-Zielen gerecht zu werden, müssten auch bei der Entwicklung von Elektronik-Komponenten andere Designansätze verfolgt werden. „Um Elektronik reparieren zu können, muss sie modularer aufgebaut werden. Sie können beispielsweise softwarenah-programmierte Systeme leichter auf neue, leistungsfähigere Chips ‚umziehen‘. Die Programme laufen auch auf den neuen Chips weiter, anders als bei hardwarenah-programmierten Systemen. Wird da etwas erneuert, muss die Software wieder neu programmiert werden.“ GESCHÄFTSMODELL ANPASSEN Im Bereich der Elektronik stoße der Kreislaufwirtschafts-Ansatz irgendwann an seine Grenzen, räumt Jürgenhake ein. Nämlich dann, wenn die Leistungsfähigkeit der Elektronik nicht mehr für die Anwendungen ausreiche. „Aber Produzenten können natürlich ein ‚2nd‘- oder ‚3rd-life‘ für ihre Produkte anbieten. Das setzt allerdings ein angepasstes Geschäftsmodell voraus. Zum Beispiel verkauft die Lufthansa ihre Flugzeuge nach zehn Jahren weiter und erzielt fast Neupreise dafür. Das ist möglich, weil Lufthansa Technik für die Maschinen ein hohes Wartungsniveau garantiert. Dieser ‚refurbished‘- Ansatz lässt sich auch auf andere Branchen übertragen.“ Die Herausforderung für die Industrie besteht für Jürgenhake darin, sich mit der Energieeffizienz der eigenen Produkte zu beschäftigen. Grüne Energieerzeugung und Einsparung seien wichtig, in der Gesamtbilanz allerdings „zu kurz gegriffen“. Wobei, betont der Ingenieur, es geht nicht um ein „entweder – oder“, sondern um ein „sowohl als auch“. „ROHSTOFFKREISLAUF SCHLIESSEN“ Wenn ein Familienunternehmer über seine Produkte sagt, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus‘ entweder als Tränke auf der Kuhwiese oder als Rohstoff im Hochofen noch Nutzen stiften und sich darüber freut, dann ist es Thilo C. Pahl: „Wir haben großes Glück, dass wir recycling- und kreislauffähige Dinge herstellen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Bade- und Duschwannen- sowie Waschtischherstellers Bette aus Delbrück. „Unsere Produkte bestehen zu 95 Prozent aus Stahl und zu fünf Prozent aus Email beziehungsweise Glas. Im Hochofen wird der Stahl eingeschmolzen, damit löst sich das Trägermaterial für das Email auf und das Email schwimmt als Schlacke oben im Hochofen“, beschreibt der Familienunternehmer in der vierten Generation den Prozess der sortenreinen Trennung. „Momentan arbeiten wir daran, den Rohstoffkreislauf zu schließen. Wir wollen wissen, wieviel ‚Badewannen-Schrott‘ angefallen ist, in welchem Hochofen er eingeschmolzen wurde, um dann dort unseren ‚neuen‘ Stahl einzukaufen. Nachhaltigkeit und Klimaneutralität haben sehr viel mit Transparenz zu tun. Das haben wir auch durch die erforderlichen Kennzahlen für unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht gelernt, den wir 2020 herausgegeben haben. Dabei liegt Nachhaltigkeit durch die verwendeten Materialien Stahl und Glas für das Email sozusagen in unserer Firmen-DNA. Wir unterstützen vieles, was darauf einzahlt, unseren Planeten zu schützen.“ UMWELTAUSWIRKUNGEN ERMITTELN Mit der systematischen Datensammlung in Punkto Nachhaltigkeit hätten sie bereits 2010 begonnen. „Wir haben ‚Enviromental Product Declarations‘ für unsere Wannen und Duschen erstellt. Salopp gesagt geht es darum, welche Umweltauswirkungen von unseren Produkten ausgehen, welche Ressourcen wir verwenden und wieviel Energie bei der Produktion wohin fließt. Andere Unternehmen hatten solche Umweltproduktdeklarationen ebenfalls, das wussten wir durch das gute Unternehmer-Netzwerk in unserer Region. Dann war unser sportlicher Ehrgeiz geweckt, wir wollten solche Informationen über unsere Produkte ebenfalls erheben.“ Aus diesem Nachhaltigkeits-Grundverständnis heraus sei der nächste Schritt, klimaneutral hergestellten Stahl zu verwenden, nur logisch. „Wenn die Stahlindustrie die Wende zur Klimaneutralität schaffen will, braucht sie ih- „Wir unterstützen vieles, was darauf einzahlt, unseren Planeten zu schützen.“ Thilo C. Pahl, geschäftsführender Gesellschafter Bette GmbH & Co. KG

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