AGOFORM - Nachhaltige Unternehmen

25 OWi 07.2022 KLIMAZIELE EIN WICHTIGER ASPEKT DER NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE „Wir könnten morgen klimaneutral sein – wenn wir unseren CO2-Ausstoß mithilfe des Zertifikatehandels kompensieren würden.“ Für Michael Lehmkuhl, Geschäftsführer beim Möbelbeschlaghersteller Hettich aus Kirchlengern, ist das allerdings keine Alternative. Stattdessen will das Familienunternehmen bis 2025 an seinen europäischen Produktionsstandorten klimaneutral werden. Möglich werden soll das durch eine klare Priorisierung: „Emissionen vermeiden, Emissionen reduzieren, Emissionen kompensieren“, nennt Lehmkuhl die verschiedenen Stufen und ergänzt: „Wir werden zunächst noch verstärkt auf Kompensation angewiesen sein, diese soll jedoch kontinuierlich durch konkrete Reduzierungs- und Vermeidungsmaßnahmen verringert werden.“ Die Klimaziele seien ein Aspekt innerhalb der HettichNachhaltigkeitsstrategie. Unter der Überschrift „Wir übernehmen Verantwortung“ gliedern sich die drei Bereiche „Sozial: Wir sorgen für uns selbst.“, „Gesellschaftlich: Wir sorgen für andere.“ und „Ökologisch: Wir sorgen für die Umwelt.“. Nachhaltigkeit sei für das Familienunternehmen in der vierten Generation schon „sehr lange“ Thema. Die Anfänge lägen im Umweltmanagement der 1990-Jahre begründet. Seit Mitte des Jahrzehnts beteilige sich Hettich freiwillig am damals von der Europäischen Gemeinschaft gestarteten EMAS-Umweltmanagementsystems (Eco Management and Audit Scheme). Das Siegel werde immer nur dann jährlich neu vergeben, wenn sich die Energie- und Ressourceneffizienz verbessere, erläutert Lehmkuhl. Zusätzlich zu den vier deutschen Standorten seien mittlerweile auch die Produktionsstandorte in Spanien und Tschechien EMAS-validiert. Er selbst habe bei Hettich im Qualitätsmanagement begonnen, erzählt der heute 45-Jährige. „Auch dort haben wir schon immer den Ressourceneinsatz im Blick gehabt. Je weniger Material wir einsetzen müssen, desto wirtschaftlicher ist es für uns als Unternehmen.“ AUGEZEICHNETE INDUSTRIEBAUTEN Dass bei Hettich Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spiele, wurde nach außen erstmals 2009 sichtbar, als das Ausstellungs- und Verwaltungsgebäude „Hettich Forum“ am Stammsitz in Kirchlengern eröffnet wurde. Konzipiert wurde es als „Null-Energie-Gebäude“, das dafür den „Green Building Award“ der Europäischen Gemeinschaft erhalten hat. Der Energie-Fokus auf Gebäude und Liegenschaften setzte sich fort: So beim 2011 für die Produktion des Schubkastensystems „ArciTech“ neu errichteten Produktionsgebäudes, bei dem überwiegend Holzwerkstoffe verwendet wurden, oder bei einem 2017 realisierten Neubau, bei dem eine hochwärmegedämmte Holzbaukonstruktion zum Einsatz kam und „Wir werden zunächst noch verstärkt auf Kompensation angewiesen sein, diese soll jedoch kontinuierlich durch konkrete Reduzierungs- und Vermeidungsmaßnahmen verringert werden.“ Michael Lehmkuhl, Hettich gleichzeitig der Flächenverbrauch minimiert wurde. „Kurzfristig gedacht, ist eine Blechhalle günstiger, aber langfristig zahlen sich die höheren Investitionen in Gebäude aus, weil sie beispielsweise weniger Energie benötigen und die Energieeffizienz gesteigert wird. Wir werden so unserer ökologischen Nachhaltigkeitssäule gerecht, da wir auch für künftige Generationen sorgen.“ Ökologische Aspekte würden auch bei Neubauten an den Auslandsstandorten berücksichtigt, angepasst an die dortigen Gegebenheiten. „Bei einer neuen Produktionshalle in Indien müssen sie sich Gedanken um Lüftung und Kühlung machen, nicht um effizientes Heizen.“ Überall käme Photovoltaik zum Einsatz, an den deutschen Standorten ebenfalls Ökostrom. Allerdings gebe es international unterschiedliche Voraussetzungen für die Produktion von grünem Strom. Ein einfacher Vergleich sei nicht immer möglich. Hettich beschäftigt weltweit 7.400 Mitarbeitende, davon 3.700 in Deutschland. Tochtergesellschaften gibt es in 24 Ländern, dazu kommen zehn Produktionsstandorte weltweit. 2021 erzielte das zu 100 Prozent in Familienbesitz befindliche Unternehmen einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro, der Auslandsanteil lag bei 74 Prozent. KOMPLEXE HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN „Die Frage ‚Was können wir vermeiden?‘ beeinflusst auch das Produktdesign. Jeder zehntel Millimeter Stahl, den wir für unsere Auszugsschienen einsparen können, zählt. Wenn wir Emissionen nicht vermeiden können, versuchen wir, sie zu reduzieren. So ersetzen wir beispielsweise Hydraulikpressen durch elektrisch betriebene Servopressen und senken so den Energieverbrauch. Das Thema Kompensation spielt bei der Mitarbeitermobilität eine wichtige Rolle“, sagt der Maschinenbau-Ingenieur. Momentan laufe eine Mitarbeiterbefragung in der es darum gehe, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Kirchlengern kämen. „Mit dem Zug erreichen sie Kirchlengern prima. Aber wie kommen sie um sechs Uhr morgens oder nach Schichtende um 22 Uhr vom Werksgelände zum Bahnhof? Wir überlegen, einen Shuttleservice einzurichten. Das Thema Jobrad wird von uns ebenfalls unterstützt. Auch Homeoffice trägt dazu bei, Emissionen zu reduzieren, weil der Arbeitsweg wegfällt“, sagt Lehmkuhl, der seine Termine am Tag des Gesprächs mittels Videokonferenz von Zuhause aus wahrnimmt und so gut 100 Kilometer Pendler-Strecke einspart. „Wir wollen unsere Mitarbeiter beimThema Ökologie mitnehmen. Bei unseren monatlichen ‚Coffee Talks‘ zur Nachhaltigkeit können sich alle einbringen, von den Kollegen aus der Produktion bis zum Management.“ Seien sie bei der Klimaneutralität für die Firmen-Standorte schon auf dem richtigen Weg, so kann Lehmkuhl ➔

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